Wie grün sind nachhaltige ETF wirklich?

Autor: Nicolas Perez-Diehl Zuletzt aktualisiert: 10.08.2022

In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit sogenannten nachhaltigen ETF und gehen der Frage nach, wie „grün“ diese tatsächlich sind.

Außerdem schauen wir uns an, wie die ETFs zusammengestellt werden, wer entscheidet, in welche Unternehmen investiert wird und ob wir als Anleger mit einem nachhaltigen ETF wirklich die Welt verändern können…

Noch ein Tipp: Du möchtest Dein Geld nachhaltig anlegen? In unserer Übersicht findest Du 38 wirklich nachhaltige Aktien!

Was ist überhaupt ein ETF?

Die Abkürzung ETF steht für „Exchange Traded Fund“ und kann etwa mit „börsengehandelter Indexfonds“ übersetzt werden.

Im Gegensatz zum Kauf einer einzelnen Aktie hast Du mit dem ETF die Möglichkeit, zeitgleich in mehrere hunderte oder gar tausende Unternehmen zu investieren.

einzelne Aktie vs. ETF (Unterschied), Grafik

Durch die Menge an Aktien aus unterschiedlichen Ländern und Branchen weisen ETFs eine hohe Diversifikation auf – das Risiko Deiner Investition wird also auf mehrere Schultern verteilt.

Ein ETF bildet immer einen bestimmten Aktienindex nach (daher: Indexfonds).

Ein Aktienindex ist wiederum nichts anderes als ein Pool, der aus mehreren einzelnen Aktien besteht und die Wertentwicklung dieser Aktien in einer einzigen Kennzahl (Punktzahl) zusammenfasst.

Bekannte Indizes sind z.B. der DAX (umfasst die 40 größten deutschen Aktiengesellschaften) und der S&P 500 (umfasst die 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen).

Wie funktioniert ein ETF?

Ein ETF bildet einen Index nach – aber was heißt das eigentlich genau?

Um einen bestimmten Index nachzubilden, kauft der ETF-Anbieter die Aktien in der Regel 1:1 nach, so wie sie auch im Index enthalten sind (das gilt allerdings nicht für sogenannte synthetische ETFs).

Ein Beispiel:

Wenn ein ETF z.B. den DAX nachbilden möchte, kauft der ETF-Anbieter die im DAX enthaltenen Aktien im gleichen prozentualen Verhältnis nach (z.B. 10,2% SAP-Aktien, 8,1% Siemens-Aktien und 1,3% Continental-Aktien).

Durch dieses Vorgehen gleicht die Entwicklung des DAX-ETF der des „echten“ DAX – die Wertentwicklung wird also nachgebildet.

Du möchtest noch tiefer in die Materie einsteigen? — Dann empfehlen wir Dir folgendes Video von Finanztip und dieses spannende Interview mit dem ETF-Manager Arne Scheehl.

Hier findest Du Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um ETFs:

Mit einem ETF-Sparplan hast Du die Möglichkeit, jeden Monat automatisiert einen bestimmten Betrag X in den ETF zu investieren (die Transaktionen werden also automatisiert durchgeführt).

Natürlich hast Du jederzeit die Möglichkeit, die Sparrate anzupassen oder den Sparplan ganz zu kündigen. Der große Vorteil: Du kannst mit sehr kleinen Sparraten (z.B. 25€) anfangen zu investieren. Bei einigen Online-Brokern fallen keine Transaktionskosten an.

Ein ETF ist im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds sehr viel günstiger. Wenn es um die Kosten eines ETFs geht, stehen zwei Faktoren im Vordergrund: Die Total Expense Ratio (TER) und die Transaktionskosten (Ordergebühren) des Brokers.

Bei der „TER“ geht es um die Verwaltungskosten, die der ETF-Anbieter hat. Bei den Transaktionskosten geht es um die Gebühr, die Du bei jeder Transaktion (Order) an Deinen Broker bezahlst. Bei den Transaktionskosten kann es sich um einen pauschalen Betrag oder um einen Prozentanteil am Ordervolumen handeln.

Meist liegt die Total Expense Ratio bei 0,1-0,5% pro Jahr. Die Ordergebühren schwanken je nach Broker stark.

Wenn Du Anteile Deines ETFs mit Gewinn verkaufst, fällt für die Gewinne die sogenannte Abgeltungssteuer an. Diese liegt bei 25% (ggf. + Kirchensteuer). Alles weitere rund um Steuern und ETFs erfährst Du in diesem leicht verständlichen Video von Finanztip.

Was ist ein nachhaltiger ETF?

In einen nachhaltigen ETF werden nur Unternehmen aufgenommen, die diverse nachhaltige Vorgaben und Standards erfüllen.

Meist werden einige Branchen von vornherein ausgeschlossen (z.B. die Erdölindustrie).

Bei den dann noch verbliebenen Unternehmen werden die sogenannten ESG-Kriterien angewendet.

ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung).

In jeden der drei Bereiche fallen noch einmal eine ganze Menge weiterer Unterkategorien. Hier einige Beispiele:

Environment
Umwelt
  • • Abfallmanagement
  • • Bezug von Ökostrom
  • • Minimierung von Emissionen
  • • energieeffiziente Gebäude
Social
Soziales
  • • faire Arbeitsbedingungen
  • • Gesundheit & Arbeitsschutz
  • • Zugang zu Weiterbildung
  • • Chancengleichheit
Governence
Unternehmens-Führung
  • • Management-Struktur
  • • Korruptionsvorbeugung
  • • Hohe Transparenz
  • • Abgabe von Steuern

Einer der größten Index-Herausgeber der Welt, MSCI, vergibt ESG-Ratings in sieben Kategorien (AAA – AA – A – BBB – BB – B – CCC).

Für die Bewertung fokussiert man sich vor allem auf 35 Hauptfaktoren („Key Issues“). Laut eigener Aussage werden innerhalb dieser 35 Kategorien dann noch einmal mehrere tausende einzelne Datenpunkte berücksichtigt.

Hier eine Übersicht der 35 „Key Issues“:

MSCI ESG Score

Auf dieser Seite kannst Du auch nach börsennotierten Unternehmen suchen und Dir das jeweilige ESG-Rating anzeigen lassen.

Hier ein Beispiel für Tesla:

MSCI ESG-Rating für Tesla, Inc.

Wie man im Diagramm links unten erkennen kann, wurde das Rating von Tesla im April 2019 von „AA“ auf „A“ zurückgestuft.

Weiter unten auf der Seite wird außerdem noch angegeben, wie Tesla in einzelnen Hauptkategorien abgeschnitten hat:

MSCI ESG-Rating für Tesla, Inc. (2)

Der Darstellung zufolge hat Tesla im Bereich „Product Safety & Quality“ schlecht abgeschnitten. Detaillierte Informationen und/oder Begründungen werden von MSCI allerdings nicht angeboten.

Wie entsteht ein nachhaltiger ETF?

Da ETFs einen bestimmten Index nachbilden, sind die ETF-Anbieter mehr oder weniger von den Herausgebern der Indizes abhängig.

Das bedeutet, dass ETF-Anbieter bei der Zusammensetzung der ETFs nicht so flexibel sind wie etwa Fondsgesellschaften, die eigene (aktiv gemanagte) Fonds auflegen.

Aus diesem Grund wird für die Auflage eines nachhaltigen ETFs oft auf Standard-Indizes zurückgegriffen, bei denen dann „nicht nachhaltige“ Unternehmen bzw. „nicht nachhaltige“ Branchen aussortiert werden.

Bei nachhaltigen ETFs handelt es sich in der Regel also nicht um neu aufgelegte ETFs, sondern nur um abgespeckte Versionen der „normalen“ ETFs.

Ein Beispiel:

Ein sehr bekannter Standard-Index ist der „MSCI World Index“. Er enthält Aktien von 1.557 Unternehmen aus 23 Industriestaaten und weist somit einen extrem hohen Diversifikationsgrad auf.

Um den Index auf Nachhaltigkeit zu trimmen, ist der Herausgeber (MSCI) hingegangen und hat alle Unternehmen aussortiert, die „nicht nachhaltig“ sind.

Übrig bleiben im neuen „MSCI World SRI Index“ gerade einmal 380 Positionen (ca. 76% der ursprünglich enthaltenen Unternehmen wurden also aussortiert).

Allerdings wirft die Auswahl der verbliebenen Unternehmen durchaus fragen auf. Hier einige Entscheidungen, die zwar mit dem MSCI ESG-Rating erklärt werden können, aus unserer Sicht aber nicht wirklich nachvollziehbar sind:

  • Der US-amerikanische Sportartikelhersteller Nike wurde aussortiert, die beiden deutschen Konkurrenzunternehmen Puma und Adidas hingegen nicht. Alle drei Unternehmen lassen ihre Produkte jedoch in Niedriglohnländern unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen herstellen.
  • Das französische Luxus-Konglomerat LVMH wurde aussortiert, die Modemarke Burberry hingegen nicht (es ist bekannt, dass Burberry nicht abverkaufte Ware vernichten lässt).
  • Die Automobilkonzerne BMW, Daimler und General Motors wurden aussortiert, das japanische Unternehmen Yamaha Motor jedoch nicht.

Vorstellung: 3 nachhaltige ETF

Einen wirklich nachhaltigen ETF kann es unserer Meinung nach leider (noch) nicht geben. Warum das so ist, besprechen wir weiter unten ausführlich.

Dennoch möchten wir Dir hier drei ETFs vorstellen, die zumindest grundlegende Kriterien erfüllen. Kompromisse wirst Du jedoch trotzdem eingehen müssen.

iShares Global Clean Energy UCITS ETF

Kurzprofil: Dieser ETF konzentriert sich auf Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern, die entweder selbst saubere Energie produzieren oder Technologien für die Gewinnung sauberer Energie bereitstellen. — Die drei größten Positionen sind Vestas Wind Systems A/S (8,38%), Ørsted A/S (7,25%) und Enphase Energy, Inc. (5,93%).

Kompromisse: Der ETF investiert u.a. auch in Energieversorger, die (noch) einen beträchtlichen Teil der Energiekapazitäten aus fossilen Brennstoffen und anderen nicht erneuerbaren Quellen schöpfen.

Marke iShares (BlackRock)
ISIN IE00B1XNHC34
Wertentwicklung p.a. (5 Jahre) + 34,97%
Gewinnverwendung ausschüttend
Fondsvolumen 5,7 Mrd. USD
Anzahl der Positionen 83
Kosten p.a. (TER) 0,65%

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Lyxor New Energy (DR) UCITS ETF – Dist

Kurzprofil: Der ETF hat das Ziel, die Wertentwicklung der weltweit größten Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien, dezentrale Energie und Energieeffizienz nachzubilden. Die Unternehmen müssen mindestens 40% ihres Umsatzes im Zusammenhang mit alternativen Energien erwirtschaften. — Die drei größten Positionen sind Schneider Electric SE (15,67%), Ørsted A/S (9,95%) und Carrier Global Corporation. (7,31%).

Kompromisse: Der ETF investiert u.a. auch in Unternehmen, die Batterien herstellen und/oder teilweise auch Energie aus nicht erneuerbaren Quellen beziehen.

Marke Lyxor
ISIN FR0010524777
Wertentwicklung p.a. (5 Jahre) + 29,67%
Gewinnverwendung ausschüttend
Fondsvolumen 1,2 Mrd. EUR
Anzahl der Positionen 39
Kosten p.a. (TER) 0,60%

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iShares Electric Vehicles and Driving Technology UCITS ETF

Kurzprofil: Der ETF hat das Ziel, vom „irreversiblen“ Trend hin zur Elektromobilität zu profitieren. Neben Automobilherstellern werden aber auch viele Zulieferer und Komponentenhersteller berücksichtigt. — Die drei größten Positionen sind Nvidia Corporation (7,80%), Tesla, Inc. (2,93%) und Garmin Ltd. (2,82%).

Kompromisse: Es handelt sich um einen ETF, der sehr zukunftsorientiert investiert. Dadurch wird auch in Unternehmen investiert, die derzeit noch (teilweise) Autos mit Verbrennungsmotor herstellen. Durch die Berücksichtigung von Zulieferern befinden sich unter den Positionen auch Reifenhersteller und Halbleiterproduzenten.

Marke iShares (BlackRock)
ISIN IE00BGL86Z12
Wertentwicklung p.a. (2020) + 33,06%
Gewinnverwendung thesaurierend
Fondsvolumen 715,4 Mio. USD
Anzahl der Positionen 90
Kosten p.a. (TER) 0,40%

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Kritik: Warum nachhaltige ETFs realitätsfern sind

Die Auflage von nachhaltigen ETFs scheitert unserer Meinung nach an der Frage: Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Die Problematik besteht darin, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ sehr dehnbar und alles andere als eindeutig ist. Jeder Mensch hat eine andere, ganz persönliche Auffassung von Nachhaltigkeit.

Ein Beispiel:

Einige Anbieter von nachhaltigen ETFs schließen beispielsweise Unternehmen aus, die Geld mit Alkohol, Glücksspiel oder pornografischen Inhalten verdienen. Auf den ersten Blick scheint das logisch und folgerichtig zu sein.

Allerdings stellt sich hier auf den zweiten Blick die Frage, ob es bei diesen Themen wirklich um Nachhaltigkeit oder eher um Moral bzw. Ethik geht.

Insbesondere die Produkte der Alkoholindustrie (u.a. Bier und Wein) scheinen in allen gesellschaftlichen Schichten und politischen Lagern gleichermaßen beliebt und vor allem akzeptiert zu sein.

Es gibt sicherlich genug Menschen, die sich zwar für mehr Klimaschutz aussprechen, am Wochenende aber trotzdem gerne ein kühles Bier genießen.

Nach dieser Logik müssten dann z.B. auch Unternehmen aus der Süßigkeitenindustrie ausgeschlossen werden. Schließlich ist ein anhaltend zu hoher Zuckerkonsum alles andere als gesund – und bei der Produktion von Schokolade ist Kinderarbeit auch nicht weit entfernt.

Sogar beim Thema Waffen ist es schwer, eine klare Grenze zu ziehen.

Dr. Andreas Beck, Mathematiker und Portfolio-Manager, sagt dazu in einem empfehlenswerten Video-Interview:

„Wir finden jetzt Waffen doof. Also allein das ist ja schon einmal sehr schwierig, weil selbst die Grünen sind der Auffassung, die Bundeswehr sollte besser ausgerüstet werden.“[1]

Auch Tariq Fancy, ehemaliger Nachhaltigkeitschef beim weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock, gibt zu Bedanken, dass Nachhaltigkeit für jeden etwas anderes bedeuten kann:

„ESG ist schwer zu definieren und hängt stark von Werten und Vorstellungen ab. In Deutschland ist Atomkraft böse, in Frankreich hervorragend. Es kann sich also jeder das herauspicken, was er will.“[2]

Warum starre Kriterien nicht zielführend sind

Da der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht eindeutig definierbar ist, ergibt auch die Einführung von einheitlichen nachhaltigen Kriterien nur wenig Sinn.

Das liegt auch daran, dass Unternehmen je nach Branche sehr unterschiedlich strukturiert sind und ganz unterschiedliche Voraussetzungen bzw. Möglichkeiten haben.

Es wäre zum Beispiel weitgehend sinnlos, die CO2-Bilanz von Facebook und Siemens zu vergleichen.

Dr. Andreas Beck gibt auch zu bedenken, dass im Rahmen eines ESG-Ratings mehr als 800 Unterkategorien berücksichtigt werden.

Das Problem: Diese Unterkategorien müssen dann auf eine einzige Kennzahl heruntergebrochen werden. Die einzelnen Faktoren und Kategorien müssen also gegeneinander aufgewogen werden.

Dann stellt sich folgende Frage: Was ist im Hinblick auf Nachhaltigkeit mehr Wert? Eine möglichst hohe Frauenquote im Aufsichtsrat, veganes Essen in der Kantine oder doch eine möglichst geringe Giftmüllproduktion?

Dieses Dilemma verdeutlicht, dass das Thema Nachhaltigkeit ein riesiger Graubereich ist, der aus unterschiedlichen Perspektiven auch ganz unterschiedlich bewertet werden kann.

Laut Dr. Beck könnte es durch starre Bewertungskriterien auch dazu kommen, dass sich Unternehmen dazu gezwungen sehen, profitable Geschäftsbereiche, die nicht den Kriterien entsprechen, zu verkaufen, nur um ein gutes ESG-Rating zu erreichen.

Darüber hinaus solle man sich bewusst machen, dass am Ende immer der Konsument entscheide.

Dr. Andreas Beck im Wortlaut:

„Wenn der Konsument gewisse Dinge nachfragt wie Bier, dann wird das produziert und dann werden Gewinne erwirtschaftet. Und es ist völlig sinnlos, jetzt eine zusätzliche Rating-Ebene einzuführen und zu sagen: ‘Ich diskriminiere jetzt Brauereien.’“[1]

Auch Andree de Boer, Finanzexperte und Gründer der Website finwohl.de, schlägt in die gleiche Kerbe:

„Ich bin […] der Meinung, dass ein Investment in nachhaltige Unternehmen zwar ein guter Anfang, unser Konsumverhalten aber meines Erachtens viel maßgeblicher ist.“[9]

Die Macht der ESG-Ratings

Da immer mehr Anleger ihr Geld möglichst nachhaltig anlegen möchten, steigt aufseiten der Unternehmen das Interesse, ein positives ESG-Rating zu erhalten.

Dr. Beck sieht die Macht der Rating-Agenturen, die mit der nachhaltigen Bewertung von Unternehmen einhergeht, kritisch.

Anhand eines fiktiven Beispiels erklärt er, was passieren könnte, wenn er als Manager gezwungen wäre, das Aktienportfolio eines Kunden auf Nachhaltigkeit zu trimmen:

„VW soll ich verkaufen, Tesla soll ich kaufen. Tesla ist super, tolles ESG-Rating […] Jetzt ist aber gerade die Zielstellung der EU, dass die europäische Wirtschaft mit Geld versorgt wird, damit sie den Umbau schafft zur CO2-Neutralität. Kaum ein Unternehmen macht das so radikal wie VW […]. Wenn ich auf das ESG-Rating höre, würde ich VW das Geld entziehen.“[1]

Den Agenturen, die ESG-Ratings vergeben, kommt also die Rolle eines „Gatekeepers“ zuteil. Mit Ihrem Urteil bestimmen Sie, welche Unternehmen offiziell als nachhaltig gelten und welche nicht.

ESG-Rating: Agenturen als Gatekeeper

Obwohl auch das Urteil der Agenturen sehr subjektiv ist, ist das Rating in der Lage, Anleger und Investoren bei Ihrer Aktien-Auswahl direkt zu beeinflussen.

Was ist mir wichtiger: Zukunft oder Status Quo?

Bei der Frage nach nachhaltigen Investments müssen wir uns als Anleger auch die Frage stellen, was uns wichtiger ist: die Zukunft oder der aktuelle Status Quo?

Möchten wir nur in Unternehmen investieren, die schon jetzt sehr nachhaltig ausgerichtet sind oder auch in Unternehmen, die die Wende hin zu einem nachhaltigen Unternehmen erst noch meistern müssen?

Als Beispiel für Unternehmen, die sich im Umbruch befinden, können etwa Automobilkonzerne genannt werden.

Im Geschäftsbericht des VW-Konzerns für das Jahr 2020 ist z.B. zu lesen:

„[…] Zudem bekennen wir uns zum Pariser Klimaschutzabkommen und verpflichten uns selbst […] bis 2050 ein CO2-neutrales Unternehmen zu werden. Dazu gehören unsere Fahrzeuge genauso wie die Werke und Prozesse.“[3]

Als Anleger stehen wir nun vor einem Dilemma: Investieren wir in VW, um den Konzern bei der Wende zu unterstützen oder investieren wir in andere Hersteller, die schon heute voll auf E-Autos setzen?

Auch vor dem Hintergrund des Diesel-Skandals 2015 fällt es natürlich schwer, den Kauf von VW-Aktien als nachhaltiges Investment zu bezeichnen.

Ganz so abwegig ist der Gedanke aber vielleicht doch nicht…

Der nachhaltige Teufelskreis

Ob ein einzelnes Unternehmen nun „nachhaltig“ oder „nicht nachhaltig“ ist, ist sehr schwer zu bewerten, da jeder Mensch ganz individuelle Vorstellungen von Nachhaltigkeit hat.

Noch schwieriger wird es aber, wenn wir ein Unternehmen aus der Vogelperspektive betrachten und alle Geschäftspartner, Zulieferer und Tochtergesellschaften miteinbeziehen.

Die Wirtschaft basiert auf dem Austausch von Waren und Dienstleistungen. So gut wie kein Unternehmen kommt heutzutage noch ohne Zulieferer und/oder externe Partner aus.

Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn ein einzelnes Unternehmen durch ein schlechtes ESG-Rating „abgestraft“ wird, werden indirekt auch viele weitere Partnerfirmen und Zulieferer abgestraft.

Darüber hinaus kann man die Frage nach der Nachhaltigkeit auch immer weiter spinnen:

Wenn ich Rüstungskonzerne ablehne, muss ich dann auch alle Maschinenbauunternehmen ablehnen, die einzelne Teile für die Fertigung von Waffen herstellen?

In einer globalisierten Welt hängt alles zusammen – wer intensiv recherchiert, wird schnell feststellen, dass es kein Unternehmen gibt, dass 100% nachhaltig ist.

Also:

Ist ein Hersteller von Solarmodulen noch nachhaltig, wenn in den Büros Apple-Produkte verwendet werden, die in Asien teils unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen produziert werden?[4]

Ist ein Unternehmen, das Biogas-Anlagen baut, noch nachhaltig, wenn für den Bau eine Menge Beton benötigt wird, dessen Herstellung enorm viel CO2 verbraucht?[5]

ETF & Nachhaltigkeit passen (noch) nicht zusammen

Der Sinn und Zweck von ETFs besteht darin, zeitgleich in mehrere Unternehmen zu investieren, um einen möglichst hohen Grad an Diversifikation zu erreichen und das Risiko dadurch so gering wie möglich zu halten.

Wenn für einen nachhaltigen ETF nun aber ausschließlich nachhaltige Unternehmen aufgenommen werden sollen, reduziert sich zwangsläufig auch die Zahl der Aktien.

Und grundsätzlich gilt: Je geringer die Zahl der Aktien, desto größer das Risiko.

Das heißt im Umkehrschluss: Das Produkt „ETF“ und der Nachhaltigkeitsgedanke vertragen sich (noch) nicht.

Denn je strenger wir in Sachen Nachhaltigkeit aussortieren, desto weniger geeignete Unternehmen bleiben für unseren ETF übrig.

Laut einem Artikel der Umweltbank werden in Deutschland derzeit schon mehr als 150 „grüne ETFs“ angeboten. Allerdings kommt Laurenz Fuchs, Fondsexperte der UmweltBank, zu einem sehr ernüchternden Fazit:

„Die zugrunde liegenden Indizes entsprechen nicht ansatzweise den strengen ökologischen und sozialen Kriterien der UmweltBank.“[6]

Ein Beispiel:

Das renommierte Finanz-Portal „Finanztip.de“ empfiehlt als nachhaltigen ETF u.a. den „iShares Dow Jones Global Sustainability Screened UCITS ETF“ (ISIN: IE00B57X3V84).

Ein Blick in die Positionen verrät, in welche Aktien dieser ETF investiert:

Zu den Unternehmen gehören u.a. die Mineralölkonzerne TotalEnergies und Royal Dutch Shell, der schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé und der US-amerikanische Sportartikelhersteller Nike.

Das sind Unternehmen, die man nicht unbedingt in einem nachhaltigen ETF erwartet – um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Schauen wir uns noch ein weiteres Beispiel an:

Die US-amerikanische Firma MSCI gehört weltweit zu den größten Herausgebern von Aktienindizes.

Bereits im Jahr 2011 wurde ein Index mit nachhaltiger Ausrichtung aufgelegt: der „MSCI World SRI Index“. Auf diesen Index gibt es auch zahlreiche ETFs – z.B. den “
iShares MSCI World SRI UCITS ETF“ (ISIN: IE00BYX2JD69).

Auch hier lohnt sich ein Blick in die einzelnen Positionen:

Unter den 10 größten Positionen befindet sich Microsoft, das u.a. für fragwürdige Methoden in der Unternehmens- und Menschenführung bekannt ist.

Weiterhin tauchen dort auch die beiden Getränkehersteller Coca-Cola und Pepsi auf, die im Jahr 2020 von der Organisation „Break Free From Plastic“ wieder zu den größten Plastikverschmutzern der Welt gekürt wurden.

Interessant ist außerdem, dass sich MSCI bei der Zusammenstellung des Indexes auf ESG-Ratings bezieht, die von der eigenen Tochtergesellschaft MSCI ESG Research Inc. aufgestellt wurden.

Obwohl der Herausgeber des Indexes also volle Kontrolle über die Zusammensetzung des Indexes hat, werden Unternehmen aufgenommen, die alles andere als Paradebeispiele für nachhaltig handelnde Organisationen sind.

Wer von den Vorteilen eines ETF profitieren, sein Geld aber gleichzeitig auch nachhaltig investieren möchte, muss also große Kompromisse eingehen, die eigentlich schon gar nicht mehr als Kompromiss bezeichnet werden können.

In diesem Video erklärt Saidi von Finanztip noch einmal anschaulich, was es mit nachhaltigen ETFs auf sich hat und welche Probleme sich dabei ergeben.

Unser Fazit zu nachhaltigen ETF

Wer sein Geld wirklich nachhaltig investieren und eben keine Kompromisse eingehen möchte, dem empfehlen wir, in einzelne nachhaltige Aktien zu investieren bzw. sich ein eigenes nachhaltiges Portfolio aufzubauen.

Denn Fakt ist: Wenn man sich für einen vermeintlich nachhaltigen ETF entscheidet, dieser aber z.B. beim Mineralölkonzern Royal Dutch Shell investiert, dann kann man auch gleich irgendeinen x-beliebigen ETF auswählen.

Die nachhaltigen ETFs, die derzeit auf dem Markt angeboten werden, sind unserer Meinung nach nicht mehr als Feel Good-ETFs, die den Anlegern suggerieren, ihr Geld „grün“ zu investieren.

Auf die Namenszusätze „ESG“ ist keinerlei Verlass – das ist oft Greenwashing!

Bevor Du Dich für einen ETF entscheidest, solltest Du daher unbedingt einen Blick in die einzelnen Positionen werfen. Eine Übersicht der Unternehmen, in die der ETF investiert ist, findest Du meist direkt beim ETF-Anbieter.

Welchen Einfluss haben nachhaltige ETFs?

Bislang haben wir uns nur angesehen, was nachhaltige ETFs ausmacht und ob es überhaupt möglich ist, wirklich grüne ETFs zu erstellen.

Nehmen wir doch einfach mal an, es gäbe einen nachhaltigen ETF, der höchsten Ansprüchen genügt und auf den sich alle Menschen einigen können.

Dennoch stellt sich hier natürlich die Frage: Welchen Einfluss hätte solch ein nachhaltiger ETF tatsächlich?

Wenn ich Anteile eines ETF kaufe, investiere ich mein Geld in viele verschiedene Aktien.

Indirekt stelle ich den Unternehmen also mein Kapital zur Verfügung, das dann z.B. in die Entwicklung neuer Technologien gesteckt wird.

Angenommen, ein Unternehmen entwickelt ein Elektroauto, das buchstäblich an jeder Ecke in nur 2 Minuten vollgeladen werden kann. Mein Geld hat also dazu beigetragen, ein tolles Produkt zu entwickeln, dass dabei helfen würde, den CO2-Ausstoß drastisch zu senken. Wunderbar!

Doch diese Rechnung geht nur dann auf, wenn das Auto auch tatsächlich gekauft wird.

Was passiert aber, wenn sich das Auto nur wenige hundert mal verkauft, weil es einfach furchtbar hässlich ist?

Haben wir mit unserer Investition dazu beigetragen, den CO2-Ausstoß drastisch zu senken? Nein.

Was bedeutet das im Umkehrschluss?

Das bedeutet, dass wir als Anleger zwar durchaus in der Lage sind, Unternehmen indirekt dabei zu unterstützen, innovative Produkte zu entwickeln.

Das bedeutet aber auch, dass die größere Macht beim Verbraucher liegt – und das wird sich in einer freien Marktwirtschaft auch nie ändern (staatliche Subventionen einmal außer Acht gelassen).

Der weiter oben bereits zitierte Tariq Fancy, verdeutlicht in einem Interview mit „CNBC Television“, dass nachhaltige ETFs keinen nachgewiesenen Einfluss auf soziale oder umwelttechnische Aspekte haben:

„I can’t stress enough: There is no evidence that any ESG-ETF has any positive social impact that I’ve seen. There is no evidence that by buying a Low Carbon-ETF you are actually going to lower [emissions].“[7]

Bitte nicht falsch verstehen:

Wenn wir uns als Anleger dazu entschlossen haben, ETFs bzw. Aktien zu kaufen, dann ist es natürlich weitaus sinnvoller, in Unternehmen zu investieren, die innovative und zukunftsträchtige Produkte herstellen, die dabei helfen, den Klimawandel zu bekämpfen, als in Unternehmen, die mit ihrem Geschäftsmodell unmittelbar der Umwelt schaden.

Es ist aber wichtig zu verstehen, dass wir mit dem Kauf von Anteilen an nachhaltigen Unternehmen nicht direkt dazu beitragen, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern.

Denn auch nachhaltige Unternehmen müssen mit Ihren Produkten und Technologien erst die Hürden des freien Marktes überwinden.

Wenn es nur um den größeren direkten Einfluss geht, sind wir mit dem Kauf von regionalen Bio-Produkten oder dem Bezug von 100% Ökostrom besser beraten als mit Investitionen in nachhaltige Unternehmen, die dann in Zukunft (vielleicht) ein Produkt entwickeln, das die Welt tatsächlich besser macht.

Die Lösung: Der Kauf von einzelnen Aktien

Wenn ich mein Geld als Anleger grün investieren möchte, führt kein Weg am Kauf von einzelnen Aktien vorbei.

Denn nur so kann ich wirklich im Einzelfall nachprüfen, ob das Unternehmen meine ganz individuellen Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit erfüllt.

Auch Kolja Barghoorn, Investor und Gründer von „Aktien mit Kopf“, schlägt in einem Video in die gleiche Kerbe:

„Wenn ich nach ESG-Kriterien […] investieren will, dann gehen die Hausaufgaben richtig los […]. Dann sind solche Produkte (nachhaltige ETFs, d. Red.) für mich definitiv nicht geeignet. Wenn ich nach ESG-Kriterien investieren will, dann muss ich ganz konzentriert anfangen, zu investieren. Das heißt, dass ich wirklich jedes einzelne Unternehmen nach meinen individuellen Kriterien ganz genau überprüfe.“[8]

Bei der Bewertung eines Unternehmens, solltest Du Dich an Deinen eigenen Vorstellungen orientieren – eine andere Möglichkeit gibt es nicht.

Im ersten Schritt kannst Du für Dich K.O.-Kriterien definieren. Mögliche Ausschlusskriterien könnten z.B. Kinderarbeit oder der aktive Kohle-Abbau sein.

Bedenke, dass es hier nicht um Richtig oder Falsch geht, sondern um Deine persönliche Definition von Nachhaltigkeit.

Bei der Aktien-Recherche kannst Du dann schon einmal alle Unternehmen ausschließen, die gegen eines Deiner K.O.-Kriterien verstoßen.

Im zweiten Schritt kannst Du dann noch tiefer einsteigen und schauen, ob ein Unternehmen z.B. Ökostrom bezieht, auf E-Autos setzt oder einen Teil der Gewinne an wohltätige Organisationen spendet.

Nur auf diese Weise kannst Du Aktien finden, in die Du guten Gewissens investieren kannst.  

Sind klassische Fonds eine echte Alternative?

In der Regel sind Privatanleger mit ETFs besser beraten als mit aktiv gemanagten Fonds, da die Kosten im Vergleich sehr viel geringer sind. Hinzu kommt, dass ETFs meist genauso gut oder sogar noch besser performen als aktive Fonds.

Doch wie sieht es im speziellen Fall der nachhaltigen Geldanlage aus?

Klassische Fonds haben zunächst einmal den großen Vorteil, dass sie nicht an bestimmte Indizes gebunden sind. Fondsmanager können also grundsätzlich frei entscheiden, in welche Aktien sie das Fondsvolumen investieren.

Fondsmanager können auch flexibel reagieren und die Zusammensetzung des Fonds jederzeit anpassen. Dies kann z.B. sinnvoll sein, wenn eine nachhaltige Firma von einem weniger nachhaltigen Unternehmen aufgekauft wird.

In Sachen Nachhaltigkeit müssen Anleger bei einem aktiven Fonds in der Regel also weniger Kompromisse eingehen.

Doch auch die aktiven Fonds stehen vor demselben Dilemma wie die passiven ETFs: Was ist Nachhaltigkeit und welche Faktoren sind am wichtigsten?

Die Fondsgesellschaften bzw. -manager müssen entscheiden, was nachhaltig ist und was nicht. Eine wenig beneidenswerte Aufgabe.

Aus diesem Grund kann es vorkommen, dass sich die Zusammensetzung eines nachhaltigen Fonds je nach Fondsgesellschaft stark unterscheidet.

Das wiederum hat zur Folge, dass Du als Anleger unter Umständen auch bei den aktiv gemanagten Fonds lange suchen musst, um einen für Dich passenden grünen Fonds zu finden.

Quellen:

  1. [1] https://www.youtube.com/watch?v=5bCSt6CvKGg
  2. [2] https://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/greenwashing-vorwuerfe-es-stellt-sich-kaum-jemand-so-daemlich-an-wie-dws/27565762.html
  3. [3] https://www.dw.com/downloads/52207229/fsbwohnechemie.pdf“https://www.dw.com/downloads/52207229/fsbwohnechemie.pdf
  4. [4] https://netzpolitik.org/2019/bits-und-baeume-die-arbeitsbedingungen-des-apple-lieferanten-foxconn-in-china/
  5. [5] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/klimaschutz-klimakiller-beton-so-will-die-deutsche-zementindustrie-co2-neutral-werden-/66652040.html
  6. [6] https://www.umweltbank.de/finanzwissen/gruene-etfs
  7. [7] https://www.youtube.com/watch?v=3qGLLA8HNP8
  8. [8] https://www.youtube.com/watch?v=4WNcy83cz5E
  9. [9] https://www.finwohl.de/2021/04/13/vanguard-esg-global-all-cap-etf/